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Interview mit Julia Jäkel – (taz)

Der „Spiegel“-Kollege Janko Tietz und ich haben für die Pro-Quoten-Taz die neue Gruner+Jahr-Vorstandsfrau Julia Jäkel interviewt.

Hier die leicht gekürzte Printfassung.

Und hier das komplette Gespräch:

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„Manager-Spielen ist beknackt”

Sie ist die neue Frau im Vorstand von Gruner + Jahr: In ihrem ersten Interview seit der Ernennung erzählt Julia Jäkel über Bürogrößen, das Arbeitsleben mit Babys zu Hause und darüber, wie es ist, in Managerrunden unterschätzt zu werden.

Interview: Janko Tietz und Anne Haeming

 

Frau Jäkel, kurz nach Ihrer Berufung in den Vorstand sagten Sie, Ihnen werde zu viel Rummel darum gemacht, dass Sie eine Frau sind. Warum hat Sie das geärgert?

Ich habe mich nicht geärgert. Ich möchte aber danach beurteilt werden, wie ich mein Unternehmen voranbringe, und nicht, ob ich eine Frau oder ein Mann bin.

Wollen Sie kein Vorbild für Frauen sein?

Nein. Das ist nicht mein Ziel. Ich freue mich aber, wenn es in unserer Gesellschaft Frauen gibt, die zeigen, dass sie einen fordernden Job und gleichzeitig eine fröhliche Familie haben können. Und wenn ich einen kleinen Beitrag dazu leisten kann – gerne.

Sie hatten Angst vor der Schublade „Quotenfrau“, oder?

Sie werden mich nicht dazu kriegen, etwas Schlechtes über Quotenfrauen zu sagen.

Glauben Sie, dass Sie auch wegen der aktuellen Frauenquoten-Debatte den Posten bekamen?

Nein. Ich verantworte einen Bereich mit großer unternehmerischer Bedeutung – da werden Sie nicht hingesetzt, weil Sie eine Frau sind. Aber es ist ein Sahnehäubchen, dass heute ein Unternehmen  mit einer Frau im Vorstand auch zeigen kann, dass es ein modernes Haus ist. Mir ist aber schon klar, dass wir etwa auf Chefredakteurs- und Verlagsleiterebene, anders als in unser Geschäftsleitung des Anzeigenbereichs, noch nicht genug Frauen haben. 

Was meinen Sie, warum gibt es so wenig Frauen an der Spitze?

Die Gründe sind ja hinlänglich bekannt. Manche Unternehmen tun sich mit der Beförderung von Frauen noch schwer, außerdem ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach wie vor ein massives infrastrukturelles Problem. Und, da müssen wir Frauen auch ehrlich sein, es gibt auch eine ganze Menge Frauen, die sich das einfach nicht antun wollen. Was ich zur Zeit mache, ist anstrengend. Es ist sogar ziemlich anstrengend. Ich schlafe gerade sehr wenig.

Es heißt, als Bernd Buchholz Ihnen vor einem Jahr die Verlagssparte „Life“ andiente, sagten Sie: Das geht nicht, ich bin schwanger.

Zugetraut habe ich mir den Job allemal. Aber ich fand, es war meine Verantwortung, ihm von meiner Schwangerschaft zu erzählen, obwohl ich es damals nicht öffentlich machen wollte. Er sagte sofort: Natürlich kriegst Du das hin.

Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag seit der Geburt Ihrer Zwillinge verändert?

Ich arbeite definitiv nicht weniger, eher mehr. Ich stehe extrem früh auf, gegen 5.30 Uhr, damit ich noch drei Stunden mit den Kindern habe. Wenn ich keine Abendtermine habe – was ich versuche zu umgehen oder auf nach 20 Uhr zu legen -, dann gehe ich am frühen Abend  nach Hause, um die Kinder ins Bett bringen zu können. Danach bin ich aber wieder im Alarmzustand, telefoniere und emaile viel. Das sind die Vorteile unserer digitalen Welt.

Könnten Sie auch daheim arbeiten? 

Bei uns ist Anwesenheit noch recht wichtig. Ich frage mich selbst mitunter: Wie sieht das denn aus, wenn ich jetzt schon gehe? Und ich überlege schon, welchen Beitrag ich leisten muss, um in dieser Hinsicht modern zu führen.

Hätten Sie den Job auch gemacht, wenn Ihr Mann Ulrich Wickert nicht von zu Hause arbeiten würde?

Schwierige Frage. Er ist in einer anderen Lebenssituation, nicht mehr in der Karriereaufbauphase, in der man Bürostunden schrubbt und er ist ein sehr moderner Mann. Und wir können uns die Hilfe einer hervorragenden Kinderfrau leisten, das können viele andere nicht. Deutschland ist da vorsintflutlich. Und nun wird stattdessen das Betreuungsgeld eingeführt. Das ist Gaga.

Sie haben bei der Pro-Quoten-Initiative nicht unterschrieben. Wieso eigentlich?

Weil ich nicht gefragt worden bin. Ganz ehrlich, ich war fast beleidigt. Ich finde die Initiative super.

Sie hätten also unterschrieben?

Ich bin nicht gefragt worden. Schon eigenartig: Man fragte Journalistinnen, Intendantinnen, aber keine Verlagsmanager. Immerhin habe ich damals quasi die Hälfte des Gruner+Jahr-Deutschlandgeschäfts verantwortet. Aber ich hätte wohl nicht unterschrieben.

Und warum?

Ich will ehrlich sein. Ich bin froh, dass ich hier ohne Quote sitze. Es fühlt sich gut an, dass man es nur aufgrund seiner Qualifikation und Leistung geschafft hat. Hätte ich unterschrieben, hätte das automatisch bedeutet, Gruner + Jahr sei dafür. So etwas zu beschließen ist aber Sache des Vorstands. Vor allem aber hatten wir uns schon zuvor sehr straffe Regeln aufgegeben, etwa wie wir Stellen besetzen.

Welche denn?

Das Ganze läuft unter dem Begriff „Female Factor“. Wir haben festgelegt, dass immer auch Frauen im Auswahlkommittee sitzen und über einen gewissen Zeitraum Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt werden. Es gibt Workshops, Mentoringprogramme. Außerdem waren wir das erste Medienunternehmen mit eigener Kita, deren Kapazitäten wurden erneut aufgestockt. Und ab 17 Uhr gibt es keine Sitzungen mehr, Arbeiten von zu Hause ist flexibler möglich. Wir brauchen keine Quote, wir leben das. Das Ganze entstand übrigens fast grassroot-artig.

Wann war das?

Als Frau von der Leyen vor anderthalb Jahren im „Spiegel“ mit Kawumms die Quote forderte. Da nahm die Diskussion hier Momentum auf. Viele kluge Frauen und Männer haben sich zusammengetan, Arbeitskreise gegründet und dann später mit dem Vorstand das „Female Factor“-Konzept ausgeheckt.

Gab’s keine Gegner?

Nein. Leute – wir sind ein aufgeklärtes Verlagshaus!

Pro Quote fordert 30 Prozent Frauen in Führungspositionen. Ist das zu wenig?

Nein. Ich finde, das klingt vernünftig. Aber die Kollegen der „Stern“ Redaktion haben sich gerade ein Ziel gesetzt – sie wollen 50 Prozent der Führungspositionen in den kommenden Jahren mit Frauen besetzen.

Dann müsste einer der beiden Chefredakteure gehen.

In dem Papier, auf das sich Redaktion und Chefredaktion verständigt haben, steht: „Die Frauen des ‚Stern’ gehen davon aus, dass dies auch die Positionen der Chefredaktion umfasst. Die Chefredakteure unterstützen dies – soweit es ihnen möglich ist.“  

Kein Wunder, dass Männer denken, ihre Karriereaussichten seien vorbei.

Immerhin wissen sie jetzt, wie sich Frauen seit Jahren fühlen. Aber: Nur weil Männer Frauen in unserer Gesellschaft so lange im Beruf dominiert haben, heißt das nicht, dass jetzt Frauen Männer verdrängen. Für mich gilt: Leistung wird belohnt. Wer gut ist und pfiffig, der kommt voran. Ob Mann oder Frau ist mir erst einmal egal.

Auffällig ist, dass Frauen in Top-Positionen sehr attraktiv sind.

… da fallen mit jetzt aber ganz viele Frauen ein, die nicht in dieses Klischee passen.

Dennoch: Inwiefern spielte dieser Faktor auch bei Ihnen eine Rolle?

Mit Aussehen hat das nichts zu tun, ich hoffe, eher mit Charakter.

Wurden Sie auch mal unterschätzt, weil Sie jung und attraktiv sind?

Das habe ich oft erlebt. Etwa auf Veranstaltungen, man unterhält sich und die kapieren nicht, dass Du einen anspruchsvollen Job und Verantwortung für viele Menschen hast. Das passiert immer noch – und das nervt! 

Wurden Sie in Meetings mal für die Sekretärin gehalten, wie andere Managerinnen auch?

Nein, noch nie. Aber ich habe häufig erlebt, dass ich in solchen Runden ein Argument vorbringe, das keiner richtig hört. Und fünf Minuten später sagt ein Mann genau das gleiche. Und plötzlich ist es ein Knaller-Argument. Das war immer wieder schockierend.

Und was machen Sie dann?

Es mit Vehemenz noch einmal sagen. Du braucht da eine gewisse Hartnäckigkeit. Und ein dickes Fell.

Apropos Image: Ihre jüngsten Pressephotos …

Sie stellen vielleicht oberflächliche Fragen!

… waren doch eine Inszenierung: Sie ganz hart, mit schwarzem Rolli bis unters Kinn.

Es gibt ja auch andere Photos aus der Serie. Es ist ein modisches Statement. Ich bin eine Frau, ich will mich nicht als Mann verkleiden. Sie sehen mich auch nie im klassischen schwarzen Hosenanzug – warum auch? Ich versuche grundsätzlich, mich nicht zu verstellen.

Erwarten die Kolleginnen im Haus von Ihnen, Frauen nun besonders zu fördern?

Nein. Aber ich spüre bei vielen Frauen eine große Solidarität. Sie schreiben mir: Dass Du hier bist, ist super für uns. Das habe ich vor drei, vier Jahren so nicht erlebt. Weder im Haus noch in Deutschland insgesamt.

Als Stephan Schäfer neben seinen vielen anderen Posten auch noch Co-Chef von „Brigitte“ wurde, dachte man: Haben die keine Frauen?

Über die Berichterstattung habe ich mich maßlos geärgert. Stephan Schäfer bildet eine Doppelspitze mit Brigitte Huber, die einen fulminanten Job macht – und alle konzentrieren sich auf ihn. Die guten Frauen hier im Haus, die in diesem Zuge nach oben kommen, werden gar nicht erwähnt. Etwa Art Direktorin Claudia Hohlweg in der Chefredaktion von „Brigitte“, Lisa Herzel, frisch in der Chefredaktion von „Essen und Trinken“, und zwei Redaktionsleiterinnen, Anne Zuber bei „Häuser“, Daniela Kamps bei „Couch“.

Wieso nur Redaktionsleiterin, nicht Chefredakteurin?

Eins nach dem anderen. Dies sind noch junge, sehr talentierte Kolleginnen, die sich jetzt beweisen werden und die wir Schritt für Schritt in Richtung Chefredaktion weiterentwickeln. 

Und warum mussten Sie Huber jemanden zur Seite stellen?

Es war auch vorher eine Doppelspitze. Ich muss Brigitte Huber nun wirklich keinen zur Seite stellen. Aber ich wollte einen ergänzenden Blick von außen.

Die Titel, die Sie zuvor verantwortet haben, drehen sich alle um „Gedöns“, wie Alt-Kanzler Gerhard Schröder das nannte. 

Nur weil ich eine Frau bin, stehe ich für Frauenthemen? Hallo, Leute, ich habe Geschichte und Politik studiert, mein Steckenpferd waren Internationale Beziehungen und Außenpolitik. Hackt’s? Ich habe fünf Jahre bei „Financial Times Deutschland“ gearbeitet, Titel wie „Beef“ und „National Geographic“ verantwortet – alles „Jungs-Titel“. In die Gedöns-Ecke werde ich erst geschoben, seit ich im Vorstand sitze. Aber wichtiger: gut gemachter Journalismus über Frauen-Themen oder Interior Design ist kein Journalismus Zweiter Klasse, ganz im Gegenteil, im Handwerk auch anspruchsvoll.

Sie zogen ins Büro vom Ex-Vorstandsvorsitzenden Bernd Buchholz, es war größer als die anderen – Sie lassen nun eine Wand einziehen. Finden Sie das nicht albern?

Wir sind drei gleichberechtigte Vorstände, also haben auch alle gleich große Büros. Das ist ein Signal – nach innen wie nach außen. Kommentare wie ‚Kronprinzessin’, ‚prima inter pares’ sind kompletter Quatsch. Aber es gibt noch etwas anderes, das mich wirklich umtreibt.

Was denn?

Wie Frauen über Frauen wie mich reden: Vernachlässigt die nicht ihre Kinder? Wie soll das denn gehen – diese Karriere und Familie? Das ist echt nervig. Das muss anders werden. Wenn mir jemand sein Lebensmodell diktieren will, kann ich nur sagen: Armleuchter! Ich respektiere ja auch Frauen, die zu Hause bleiben wollen.

Was würden Sie denn jungen Frauen raten, die nach oben wollen?

Ich habe kein Handbuch „How to survive as a woman“ parat, aber sie brauchen ein gewisses Maß an Sportsgeist, Zähigkeit und Willen. Das ist unabdingbar. Und verstellen sollten sie sich nicht und nicht versuchen, die besseren Männer zu sein. Manager-Spielen ist beknackt.

 

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